Heute meldet sich Noriker Fritz zu Wort. Hör gut zu, er hat etwas Wichtiges zu sagen.
„Hallo Mensch.
Setz dich mal. Wir müssen reden.
Nicht wie sonst mit Halfter und Strick, sondern auf Augenhöhe.
Du da mit der Karotte in der einen und dem Zeitplan in der anderen Hand! Was wäre, wenn wir Pferde reden könnten? Und nein, ich meine nicht wie in diesen Kinderfilmen, dass wir quieken wie Eichhörnchen auf Speed und plötzlich anfangen zu singen. Sondern wirklich – wie fühlende, denkende Wesen mit Persönlichkeit, Wünschen und ja: auch Meinungen.
Wir haben uns zusammengesetzt, ein paar ganz unterschiedliche Typen von uns, und dachten, es wird Zeit, mal was klarzustellen. Du wirst lachen. Oder schlucken. Oder beides. Wir hoffen vor allem: Du denkst.

„Das Leben ist kein Rennen“ – Grüsse vom Rennpferd
Ich war mal schnell. Verdammt schnell. Ich hab für Menschen Preise geholt, Emotionen erzeugt und die Wetten ordentlich in Bewegung gebracht. Was keiner sieht: Mein Körper brennt. Nicht metaphorisch – wortwörtlich. Jedes Rennen zerreißt mich ein Stück mehr. Ich kenne mehr Tierärzte als Koppelfreunde. Meine Lunge steht in Flammen, meine Beine und Gelenke sind so abgenutzt wie bei richtig alten Pferden, obwohl ich nicht mal 10 Jahre alt bin. In 2 Jahren gehöre ich zum alten Eisen …
Ich bin müde.
Müde vom Druck, vom immer weiter, schneller, mehr. Ich will nicht glänzen, ich will leben! Einmal ohne Schmerz auf einer Weide stehen, Gras fressen ohne Magenschutz und dabei nicht überlegen müssen, ob ich morgen wieder in die Startbox muss. Wenn du meinst, ich liebe den Galopp – ja, stimmt. Aber nicht mit Nadeln in den Beinen.
„Ich bin mehr als ein Hindernisüberwinder“ – Worte eines Springpferdes
Du nennst mich dein „Powerpaket“? Eine „Sportskanone mit Herz“? Ich bin ein Pferd, kein Turnschuh.
Natürlich kann ich springen, über Oxer, Wassergräben, durch den ganzen Parcours. Aber weißt du, was ich lieber täte? Mit dir über die Wiese schlendern. Den Geruch von Wald einatmen. Vielleicht mal gemeinsam Pause machen, du kraulst mein Mähnenkamm, ich zupfe liebevoll an deiner Jackentasche.
Doch stattdessen ziehst du die Steigbügel hoch, das Genick tief und dann heißt’s wieder: „Noch einmal, konzentrier dich!“
Weißt du, woran ich mich lieber erinnere als an Schleifen? An den einen Nachmittag, als du dich einfach zu mir auf die Wiese gesetzt hast. Ohne Erwartung. Nur mit Zeit.
„Ich bin kein Wochenend-Wanderpokal“ – Das überforderte Freizeitpferd
Montag bis Freitag: Paddock.
Samstag: Marathon ins Gelände. Sonntag: dasselbe, nur mit Reitbeteiligung.
Die ganze Woche bewege ich mich auf wenigen Quadratmetern – Langeweile pur –, nur um dann plötzlich Muskelkater deluxe zu bekommen. Ich sag’s mal so: Nur weil ich auf dem Papier „Freizeitpferd“ bin, heißt das nicht, dass ich für Freizeit-Joggingtouren ausgebildet wurde.
Ich hätte gern auch mal Training, Rücksicht, Vorbereitung. Und wenn ich nach dem dritten Galopp nicht mehr vorwärts will – nein, das ist keine Unart. Das ist mein Körper, der dezent „Autsch“ sagt.
Hör hin. Ich sprech nicht in Sätzen, aber deutlich genug.
„Ich bin klein, aber ein richtiges Pferd“ – Ein Pony mit Meinung
Ha ha. Lustig. Schon wieder eine Schleife im Haar. Noch so ein Glitzerhalfter. Und wieder dieses Kind, das sich auf mich setzt wie auf ein Möbelstück. Ich bin kein Kuscheltier mit Hufen – ich bin ein Pferd.
Kleiner Körper, große Persönlichkeit. Ich kann ziehen, springen, spielen. Ich kann alles, was meine größeren Artgenossen auch können. Und ich bin klug. Viel klüger, als man mir zutraut – und ich merke, wenn man mich nicht ernst nimmt. Dann kann ich eben auch mal bocken, treten und beißen, bis man es tut.
Wenn nennt mich immer nur „niedlich“, aber fragt nie, ob es für mich überhaupt in Ordnung ist, wenn man mich wie ein Barbiepferd behandelt. Spoiler: Nein. Es ist nicht in Ordnung.
Gib mir Aufgaben, keine Accessoires.
„Alt, aber nicht abgeschrieben“ – Ein weiser Wallach im Ruhestand
Jetzt stehe ich auf der Weide. Täglich. Die Sonne tut gut, das Gras schmeckt, mein Rücken atmet auf. Ich weiß, ich hab’s gut. Ehrlich. Aber manchmal vermisse ich etwas.
Nicht den Sattel. Sondern dich.
Ich vermisse die Aufgabe, das gemeinsame Tun. Den Blickkontakt, wenn du was von mir wolltest. Die kleinen Rituale.
Jetzt winkst du nur von Weitem. Besuchst mich wie einen alten Onkel im Pflegeheim. Dabei würde ich so gern noch mitgestalten – Bodenarbeit, spazieren gehen, einfach ein bisschen gemeinsames Sein.
Nur, weil ich nicht mehr voll belastbar bin, heißt das nicht, dass ich überflüssig bin. Ich bin noch da – und ich war nie klüger, als ich es heute bin.
„Ich bin kein emotionales Therapieprojekt“ – Ein Pferd, das einfach Pferd sein will
Ich weiß, du meinst es gut. Ich sehe das. Wirklich. Du kommst jeden Tag, schaust mich besorgt an, tastest meine Beine ab, hörst mein Bäuchlein ab, fühlst meinen Puls mit mehr Hingabe als mancher Tierarzt. Und dann der Satz: „Irgendwas ist heute komisch an dir, Schatz.“
Nein. Ich hab dich nicht schief angeschaut, weil ich innere Unruhe verspüre. Ich hatte eine Fliege im Auge.
Und danke für die zehn neuen Zusatzmittel im Futter. Eins für die Verdauung, eins für die Leber, drei fürs Immunsystem, zwei gegen Stress, und irgendwas mit „Kräuterbalance“. Mein Trog sieht aus wie ein Bioladen, der explodiert ist.
Ich weiß, du hast Angst, etwas falsch zu machen. Ich weiß, du brauchst mich. Aber manchmal fühl ich mich, als müsste ich deine emotionale Last mittragen – und das neben meinem eigenen Körper, der auch einfach mal durchschnaufen will. Nicht jedes Ohrspiel ist ein Zeichen. Nicht jeder Seufzer ein Hilferuf. Und nicht jeder Moment der Ruhe bedeutet, dass ich innerlich zerbreche.
Ich bin kein empfindsames Porzellan, das bei einem Windstoß zu Staub zerfällt. Ich bin ein Pferd. Und ich will manchmal einfach nur Pferd sein dürfen: wälzen ohne Decke, schnauben, dösen, wiehern, vielleicht auch mal einen frechen Bocksprung machen, ohne dass gleich jemand fragt, ob ich traumatisiert bin.
Du darfst gern vorsichtig sein – aber bitte, bitte sei auch klar. Sicher. Mutig. Du musst nicht perfekt sein, nur präsent. Und vertrauen. Auch mir. Denn ich bin nicht hier, um eine Lücke in deinem Leben zu füllen. Ich bin hier, weil ich dich mag. Nicht, weil ich dich retten soll, oder du mich. Und wenn du mich wirklich liebst, dann lass mich leben. Nicht eingewickelt in Watte, sondern eingebettet in Vertrauen.
Hör einfach mal hin.
Und vielleicht auch ein bisschen auf.
Jedes Pferd hat eine Geschichte, einen Körper, eine Vergangenheit, ein Herz. Und vor allem: eine Stimme. Nur wird sie oft überhört, weil sie nicht laut ist, nicht in Wörtern spricht, sondern in Bewegungen, Blicken und Gesten. Wer wirklich pferdegerecht handeln will, muss lernen zuzuhören. Und zwar nicht nur dann, wenn’s ins Konzept passt. Nicht erst dann, wenn das Pferd „Probleme macht“, sondern vorher. Immer.
Ein echtes Miteinander entsteht nicht durch Training, sondern durch Vertrauen. Wer Pferde führen will, muss zuerst fühlen. Wer fordert, muss verstehen. Wer liebt, muss loslassen können.
Wenn dieser Text dich getriggert hat – gut. Denn dann ist noch Platz für Entwicklung.
Und ja, vielleicht werden wir Pferde nie so sprechen, dass alle Menschen uns verstehen. Aber vielleicht – nur vielleicht – reicht es ja, wenn du anfängst, uns zuzuhören. Richtig mit Herz. Und mit Hirn.
PS:
Wenn dein Pferd heute nicht so will wie du, überleg kurz: Hat es vielleicht einfach auch mal was zu sagen?
Im besten Sinne, euer Fritz.“

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